Zuger Zeitung vom 29.08.2023 - Tijana Nikolic

Kinderdemenz: Eine Zuger Stiftung unterstützt betroffene Familien

In der Schweiz gibt es zwischen 80 und 100 Fälle. Die Lebenserwartung liegt bei maximal 30 Jahren. Der Zuger Parlamentarier Roman Küng und seine Partnerin Steffi Hohberg haben die Stiftung Kinderdemenz Schweiz gegründet. Sie möchten den erkrankten Kindern ein Stück Lebensfreude erhalten.

Roman Küng und seine Partnerin Steffi Hohberg haben die Stiftung Kinderdemenz Schweiz gegründet.

Sie möchten betroffenen Kindern und deren Angehörigen helfen.

Bild: Stefan Kaiser (Zug, 29. 8. 2023)

Man stelle sich vor: Ein kleines Kind wächst langsam heran, macht seine ersten Schritte, sagt seine ersten Worte, isst selbstständig und kleidet sich an. Und genauso schleichend, langsam wie es all diese Schritte gelernt hat, verlernt es diese plötzlich von Tag zu Tag wieder. Es kann nicht mehr selbst essen, es nässt sich ein und eines Tages vergisst es sogar, wer seine Eltern oder Geschwister sind. Denn seine Nervenzellen sterben allmählich ab. Stück für Stück verliert es alle seine Fähigkeiten und letztendlich auch sein Leben.

Hört sich wie eine Schauergeschichte an? Leider nicht. Es ist der Verlauf der seltenen Krankheit Neuronale Ceroid-Lipofuszinose, kurz NCL oder umgangssprachlich Kinderdemenz genannt. Die Krankheit ist noch wenig erforscht, ein seltener Gendefekt ist dafür verantwortlich. Man rechnet mit etwa 80 bis 100 Fällen in der Schweiz.

 

«Das heisst aber nicht, dass die Krankheit zu vernachlässigen wäre. Wie bei den meisten seltenen Krankheiten fehlt es allerdings auch hier an Forschung und Therapie», sagt Roman Küng, Gemeinderat und Fraktionspräsident der SVP Stadt Zug. Er, seine Partnerin Steffi Hohberg und sein Bruder Hans haben die Stiftung Kinderdemenz Schweiz mit Sitz in Zug gegründet. «Wir haben die Stiftung aus eigener Betroffenheit heraus gegründet. Mein Neffe ist an NCL erkrankt. Daher wissen wir, wie gross das Leid der betroffenen Kinder und Eltern ist», so Hohberg.

 

Die Krankheit kann jeden treffen

 

Die Vision der Stiftung sei es, den an Kinderdemenz erkrankten Kindern und deren Familien die Unterstützung zukommen zu lassen, die sie so dringend benötigen würden. «Im Moment haben wir drei Familien, welche wir unterstützen. Diese sind in den Kantonen Zürich, Solothurn und Thurgau zu Hause. Die alleinerziehende Mutter aus Zürich, die wir unterstützen, hat sogar zwei Kinder, die betroffen sind», erzählt Küng.

 

Die Stiftung würde den erkrankten Kindern, trotz des Schicksalsschlags, ein Stück Lebensfreude erhalten und ein Leben in Würde ermöglichen wollen. «Auch die Geschwister leiden sehr darunter, denn oft kommen sie zu kurz. Die Eltern sind entweder rund um die Uhr mit dem dementen Kind beschäftigt oder müssen viel Geld für eine 24-Stunden-Vollbetreuung bezahlen. Anders funktioniert es nicht», fährt Küng fort.

Hohberg fügt an: «Wir möchten den Betroffenen die notwendige finanzielle Unterstützung geben sowie die Erforschung von Therapiemöglichkeiten dieser momentan noch unheilbaren Krankheit fördern. Dafür sind wir sehr auf Spendengelder angewiesen.» Doch leider bleiben diese oft aus. Zu wenig bekannt ist die Krankheit. Oder geht oft vergessen, weil sie so selten ist.

 

«Auch wenn die statistische Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, kann die Krankheit theoretisch jedes Kind treffen. Wir setzen uns deshalb auch dafür ein, dass die betroffenen Kinder und ihre Geschichten niemals vergessen werden», so Küng weiter. Es würde uns sehr helfen, wenn beispielsweise nicht nur um die Weihnachtszeit viele Spenden eingehen, sondern das ganze Jahr durch.

Die Eltern müssten teilweise ihr Arbeitspensum wegen der Betreuung der kranken Kinder herunterfahren. «Krankenkassen übernehmen die Behandlungen und Medikationen. Es fallen aber noch viele weitere Kosten im Alltag an, die von den Familien kaum oder nur sehr schwierig zu stemmen sind», erklärt Hohberg.

 

Lebenserwartung zwischen 20 und 30 Jahren

 

NCL unterteile sich in 13 verschiedene Formen, bei denen der Fehler jeweils in einem anderen Gen liegt. Gemeinsam haben sie die klinischen Befunde des Erblindens, der Demenz, der motorischen Probleme und der Epilepsie. «Unterschiedlich sind jedoch die Reihenfolge der Befunde, das Alter des Auftretens der Symptome und das Voranschreiten der Erkrankung», erläutert Küng.

 

Die häufigsten NCL-Formen in der Schweiz seien die infantile Form (Beginn zwischen sechs und 24 Monaten), die spät-infantile Form (Beginn zwischen zwei und vier Jahren) und die juvenile Form (Beginn zwischen fünf und zehn Jahren). Jede der Formen führe zum frühen Tod. «Je nach Form der Betroffenen beträgt die Lebenserwartung zwischen 20 und maximal 30 Jahre», weiss Roman Küng.

 

Die beiden haben die Schicksale all dieser Familien sehr berührt. Steffi Hohberg: «Das ist unsere Motivation, unser Ziel weiterzuverfolgen und die Bevölkerung für diese Krankheit zu sensibilisieren.»

 

Hinweis:

Weitere Informationen über die Krankheit und die Möglichkeit zu spenden gibt es unter 041/ 710 00 24, info@kinderdemenz-schweiz.ch oder www.kinderdemenz-schweiz.ch